Kennzahlen, oder zu Neudeutsch KPIs
Was sind Kennzahlen und wofür sind sie gut?
“Kennzahlen stellen Zahlen dar, die in aggregierter Form über relevante Sachverhalte und Entwicklungen informieren.”
Welche Kennzahlen wären wohl für ein agiles Projekt sinnvoll?
Eines vorweg und das ist eine gute Nachricht. Es gibt nicht viele Kennzahlen, die wirklich Sinn machen.
Der Zielerreichungsgrad als Langzeitwert und Trend
Frage: Wann hat es funktioniert? Wann war ein Team oder gar der gesamte ART (Agile Release Train) erfolgreich?
Antwort: Wenn der Plan aufgegangen ist.
In Scrum ist der Plan aufgegangen, wenn am Ende eines Sprints das Sprint Goal erreicht wurde. Wenn der Sprint Plan nahezu gänzlich umgesetzt wurde.
Warum nur nahezu gänzlich?
Weil ein Plan ist ein Plan ist ein Plan.
Das ein Plan zu 100 % aufgeht ist eine Seltenheit. Die meisten unserer Kunden haben sich darauf verständigt, dass ein Sprint durchaus als erfolgreich abgeschlossen angesehen werden kann, wenn das Ergebnis am Ende eines Sprints
+ / – 15 %
des ursprünglichen Plans entspricht.
Anmerkung: Hat man den Plan um (erheblich) mehr als 15 % übererfüllt, war wohl der Plan schlecht. Das ist auch nicht Sinn und Zweck der Sache.
Achtung: Das ist noch NICHT der Zielerreichungsgrad!
Denn: Genauso wenig wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, ist ein Team als schlecht anzusehen, wenn es mal nicht das Sprint-Ziel erreicht.
Der Zielerreichungsgrad berechnet sich aus den binären Ergebnissen – Ziel erreicht / nicht erreicht – von mehreren (es sollten schon mindestens 7 Sprints sein) Sprints nach folgender Formel:
Formula: ( Anzahl erfolgreicher Sprints / Gesamtzahl der Sprints ) x 100
Beispiel:
Soll / Zielvorgabe:
Zielerreichungsgrad von 80 %
D. h. jedes Team soll 80 % ihrer Sprints erfolgreich abschließen.
Von den vergangenen 7 Sprints hat das Team Alpha 5 Sprints erfolgreich abgeschlossen. Für 5 Sprints war die Abweichung des Ergebnisses von ursprünglichen (Sprint) Plan <= 15 %.
Zielerreichungsgrad = ( 5 / 7 ) x 100 = ca. 71 %
Ist / tatsächliches Ergebnis:
Zielerreichungsgrad = 71 %
Anmerkung: Je mehr Zahlen (Ergebnisse) in die Berechnung des Zielerreichungsgrades einfließen, desto repräsentativer und damit aussagekräftiger ist diese Kennzahl.
Der kurzfristige Zielerreichungsgrad
Während der Zielerreichungsgrad als Langzeitwert und Trend eine Langzeitbetrachtung darstellt und hohe Aussagekraft über die Performance der Teams eines ARTs hat, stellt der kurzfristige Zielerreichungsgrad eine Kennzahl zur unmittelbaren Steuerung des Sprint-Geschehens dar.
Für den Release Train Engineer (RTE) eines ARTs (Agile Release Trains) eine wichtige Kennzahl, die es für jedes Team des ARTs zu ermitteln gilt und die er – respektive sie – immer kennen sollte, wenn ein SoS (Scrum of Scrums) mit den Scrum Mastern abgehalten wird. Die primäre Fragen sollte da nämlich immer lauten:
Und, sind wir im Plan?
Rahmenbedingungen
Messbarkeit
Nur wenn man Sachverhalte hat, deren Status Quo auch (objektive) Messbar darstellen kann, lassen sich daraus auch Entwicklungen ableiten.
Aussagekraft
Um eine repräsentative Kennzahl zu erhalten, bedarf es einer ausreichender Menge an Daten / Informationen.
Aktualität der Daten
Es mag Projekte geben, in denen die Aktualität der Daten im (zumeist obligatorischen) Ticketsystem (oftmals Jira) nicht gegeben ist. Nicht aktuelles Datenmaterial ist ungeeignet für die Erzeugung von Kennzahlen und dem elementar wichtige Prinzip der Transparenz wird zugegen gehandelt. Die Ausrede “wir sind noch nicht dazu gekommen in Jira alles einzupflegen”, sollte sich keine RTE / Scrum Master anhören müssen.
Empfehlung(en) & Hinweise
Als Experten und Praktiker, die wir – die GesAPro – uns sehen, würden wir für neu aufgesetzten Teams ein Soll für den Zielerreichungsgrad von 70 % empfehlen und diesen erst dann auf 80 % erhöhen, wenn das Team eingespielt ist.
Werden im Verlaufe des Projektgeschehens die Karten neu gemischt, indem sich der Themenschwerpunkt des Teams verlagert oder Fluktuation das Team neu zusammengestellt hat, kann ein einmal erreichtes gutes Ergebnis wieder abfallen.
Unsere Scrum Master und RTEs führen für jeden Sprint – respektive das Program Increment (PI) – ein Log. Eine Logbuch, in dem Beobachtungen eingetragen werden. In solch ein Logbuch würde beispielsweise auch eingetragen werden, wenn die Hälfte eines Teams wegen Krankheit über Strecken hinweg nicht implementieren konnte.
Conclusio
Es ist möglich, sowohl für den Release Train Engineer als auch für jeden einzelnen Scrum Master eines ART auf Knopfdruck den aktuellen Zielerreichungsgrad der Teams zu erhalten. Damit lässt sich das gegenwärtige Geschehen steuern und falls erforderlich rechtzeitig korrigieren. Die Langzeitbetrachtung gibt Auskunft darüber, ob ein Continuous Improvement stattfindet und das Projekt somit auf dem richtigen Weg ist. Angst vor der manchmal unangenehmen Wahrheit sollte man nicht haben, wenn man Kennzahlen einführt. Sie wollen einen unabhängigen Quality Check Ihres Projekt durchführen lassen oder ein aussagekräftiges Kennzahlensystem implementieren?